Digitale Teilhabe 65 plus

Beobachtungen, Gedanken, Fragen und Tipps
zur Überwindung der Alterslücke bei der Nutzung von digitalen Medien

Portrait: Herbert Kubicek
Prof. Dr. Herbert Kubicek
Jahrgang 1946
Über mich
04.05.2024

Lokale Umfrage zu Einsamkeitsgefährdung und Digitalisierung

Einführung

Nach einem Vortrag auf der Frühjahrsakademie des Forum Seniorenarbeit NRW in Münster hat mich Herr Dr. Albert Noll um die Folien gebeten und im Gegenzug Ergebnisse einer Umfrage zu Einsamkeitsgefährdung und Digitalisierung geschickt. Er hat diese Umfrage unter dem Eindruck des Pflegeheimaufenthaltes seines Vaters auf rein ehrenamtlicher Basis durchgeführt. Die Ergebnisse will er bei möglichst vielen Gelegenheiten, vor allem auf Veranstaltungen von Trägern von Pflegeeinrichtungen präsentieren, damit es dort mehr Teilhabemöglichkeiten für ältere Menschen gibt, die , wie er aus seiner Umfrage ableitet, die Einsamkeitsgefährdung verringern können. Wissenschaftlich mag die Interpretation vielleicht nicht zwingend sein. Aber ich finde eine solche Initiative nicht nur persönlich bewundernswert, sondern auch dringend notwendig, damit in diesem Bereich mehr Angebote gemacht werden. Vor allem nachdem sich in der Kurzrecherche zu den Örtlichen Planungen in NRW gezeigt hat, dass die für die Planung Verantwortlichen digitalen Angeboten in der ambulanten und stationären Pflege noch nicht die gebotene Bedeutung beimessen (Blog vom 4. Mai 2024).

Auszüge aus einem Interview

Herr Noll wurde zu dieser Umfrage bereits im Themenmonat des Forum Seniorenarbeit NRW 12/2023 interviewt. Er ist 75 Jahre alt, seit 2015 Pensionär und war zuletzt Hauptdezernent der Bezirksregierung Düsseldorf, Abteilung Schule. Zur Motivation für seine Umfrage sagt er:

„Sowohl ehemalige Kolleginnen und Kollegen, Nachbarn als auch Familienmitglieder leben zwischenzeitlich allein (Partner/ Partnerinnen verstorben) zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen. Durch viele Gespräche/ Interviews zur persönlichen Situation bin ich auf Einsamkeitsgefährdung älterer Menschen aufmerksam geworden und habe dann die empirische Untersuchung gestartet.“

Die Befragung hat er mit Unterstützung der Caritas in Pflegeeinrichtungen der Caritas in Dinslaken und Umgebung durchgeführt und konnte 80 Personen über70 Jahre gewinnen, seinen Fragebogen auszufüllen. Die Ergebnisse fasst er wie folgt zusammen:

„Einsamkeit ist ein Leiden des Individuums an der sozialen Umwelt. Damit wird deutlich, dass Einsamkeit sowohl einen emotionalen als auch einen sozialen Aspekt beinhaltet. Einsamkeit ist letztendlich ein subjektives Gefühl. Insofern stellte ich mir mit der empirischen Untersuchung die Frage, ob es und wenn ja, welche Indikatoren für eine „Einsamkeitsgefährdung“ gibt. Ich habe drei Indikatoren identifiziert:

  • 1. Mobilität
  • 2. Soziale Kontakte
  • 3. Digitalisierung
  • Konkret: Die Einsamkeitsgefährdung ist groß, wenn die Mobilität stark eingeschränkt (also niedrig) ist, keine/oder nur noch wenige soziale Kontakte da (also niedrig) sind und wenn der Grad der Digitalisierung niedrig ist.

    Die Einsamkeitsgefährdung ist klein, wenn die Mobilität hoch ist, viele soziale Kontakte existieren und die Digitalisierung hoch ist. Kernaussage: Ältere Menschen leiden vermehrt unter Einsamkeit/ sind vermehrt Einsamkeit gefährdet in direkter Abhängigkeit von den Variablen „Soziale Kontakte, Mobilität, Digitalisierung“. Die Einsamkeitsgefährdung lässt sich anhand der 3 Indikatoren in einem dreidimensionalen Koordinatensystem verdeutlichen. Ob es tatsächlich zu Einsamkeit kommt, hängt vom subjektiven Gefühl des Individuums ab“.

    Speziell zur Digitalisierung sagt er:

    „Nun hat meine Befragung u.a. gezeigt: 40 % der zu Hause Wohnenden haben keine Erfahrung mit dem Internet; bei den Pflegeheimbewohnerinnen und Bewohnern steigt der Prozentsatz sogar auf nahezu 90 %.

    All diese Menschen sind von der Meinungsfreiheit – wie sie der Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union formuliert – weitgehend ausgeschlossen. Sie sind massiv benachteiligt, eines ihrer Grundrechte beraubt. Ziel muss es sein, dass alle Menschen kompetent, aufgeklärt und aktiv an der Medienöffentlichkeit teilnehmen können, wie dies Mitarbeiter der Onlineplattform ZEBRA formulieren. Bzgl. der Handy-/Smartphone Erfahrung sehen die Erfahrungswerte besser aus: 90 % der zu Hause Wohnenden geben an, diesbezügliche Erfahrung zu haben; bei den Pflegeheimbewohnerinnen und Bewohnern liegt der Prozentsatz allerdings nur bei 50 %. Digitale Medien sind das Tor zur Welt und eröffnen Menschen jeden Alters Antworten zu fast allen Fragen. Digitale Medien können dazu beitragen, trotz mancher Behinderung am Leben weiter teilzunehmen. Über digitale Medien können ferner soziale Kontakte auch bei mancher Behinderung aufrechterhalten werden (zu weit entfernten Familienangehörigen, Freunden/Freundinnen, ehemalige Kolleginnen/Kollegen…). …..

    Einsamkeit ist ein gesellschaftliches Problem, Verhinderung von Einsamkeit ein gesellschaftlicher Auftrag. Einsamkeit kann jeden treffen … Und jeder/jede kann helfen, indem sie/er hinschaut, was mit der Nachbarin/dem Nachbarn, dem ehemaligen Kollegen/der ehemaligen Kollegin, der Freundin/dem Freund aktuell geschieht. Dazu dienen die drei von mir identifizierten Indikatoren (Soziale Kontakte, Mobilität, Digitalisierung).“

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Den ausführlichen Bericht finden Sie hier und ein Präsentation ausgewählter Ergebnisse als pdf unter dem Link.

    Weitere Infos: Noll_Befragung_Alter_im_Alter_n2024.pdf

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